Kommunalwahl 2021 -
Thesenpapier: Aktuelle Situation
der Kinderbetreuung in der Stadt
Mühlheim am Main
Krippenkinder:
Kinder im Alter von 1-3 Jahren haben einen gesetzlichen Anspruch auf
Betreuung nach 24 SGB VIII Absatz 2. Hierzu werden durch die Stadt, die
freien und kirchlichen Trger und durch das Tagesmutterangebot des
Vereins Frau-Mutter-Kind insgesamt 255 mgliche Pltze vorgehalten/
angeboten. Diese verteilen sich auf die einzelnen Einrichtungen wie folgt:
Aus dem Bedarfsplan 2020 Stand 10_2020 der Stadt Mühlheim geht
hervor, dass für Kinder mit Rechtsanspruch (Krippe 1-3 Jahre) für die
Jahrgänge 2017-2018 ein Versorgungsgrad von 41,06% erreicht wurde.
Bei Berücksichtigung aller Kinder im Krippenalter (Krippe 0-3 Jahren) wird
hingegen lediglich ein Versorgungsgrad von 28,02% erreicht, vgl.
nachfolgende Tabelle.
Quelle: Bedarfsplan 2020 Stand 10_2020 der Stadt Mühlheim am Main; S.
12 erste Tabelle
Bund, Länder und Kommunen haben sich vor dem Jahr 2013 darauf
verständigt, dass für 35% der Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren eine
Betreuung aufgebaut bzw. unterhalten werden soll. Dies würde rein
rechnerisch für das Jahr 2019 unter Berücksichtigung der Anzahl aller
Kinder (910) für die Jahrgänge 2017 bis 2019 einen Bedarf von 319
Plätzen ergeben. Dies bedeutet, dass im Schnitt nur jedes 3. Kind einen
Betreuungsplatz erhalten kann.
Aktuell werden jedoch lediglich 255 Plätze angeboten. Zwar mag es richtig
sein, dass sich rechnerisch für die Jahrgänge 2017 – 2018 ein
Versorgungsgrad von 41,06% ergibt. Hier wird jedoch eine völlig andere
Ausgangsgröße, nämlich die Anzahl der Kinder von 1 bis 3 Jahren,
zugrunde gelegt. Daher kann diese Zahl zur Deckung des Bedarfs unserer
Ansicht nach nicht angeführt werden. Ferner bleibt hierbei
unberücksichtigt, dass die Zahl derer, die einen Betreuungsplatz
wünschen, ebenfalls steigt. Selbst bei Berücksichtigung eines
Versorgungsgrades von 41,06% ist es demnach nur 2/5 aller Eltern
möglich einen Betreuungsplatz für ihr Kind in Mühlheim zu erhalten. Daher
ist es fraglich, ob das damals gemeinsam vereinbarte Betreuungsangebot
für 35% der berücksichtigungsfähigen Kinder noch zeitgemäß ist oder ob
die Stadt Mühlheim nicht eher versuchen sollte, die tatsächlich benötigten
Plätze zu ermitteln und anzubieten.
Im aktuellen Jahr 2020 ist es für viele Eltern problematisch ein
entsprechendes Betreuungsangebot zu
erhalten. Die gängige Praxis in Mühlheim sieht nämlich vor, dass Kinder,
die nach dem 31.08. eines Jahres geboren sind, erst eine
Berücksichtigung im darauffolgenden Jahr finden. Diese Praxis erhöht
somit den Druck auf das bestehende System weiter, da sich dies in jedem
Geburtenjahrgang fortsetzt. Zur Verdeutlichung möchte wir folgendes
Beispiel nennen:
Ein Kind, geboren am 01.10.2019, erhält voraussichtlich erst ab
01.08.2021, mithin fast nach zwei Jahren, einen Krippenplatz. Da das Kind
auf der Warteliste der Stadt Mühlheim bereits ebenfalls knapp zwei Jahre
gestanden hat, hat es im Vergleich zu einem im Jahr 2020 geborenen Kind
Vorrang, da seine Wartezeit um ein Jahr höher ist. Die Folge ist, dass
selbst wenn das im Jahr 2020 geborene Kind vor dem Stichtag 31.08.
geboren ist, es dennoch wahrscheinlich erst einen Krippenplatz ab dem 2.
Lebensjahr erhalten kann. Aufgrund dieser beschrieben Praxis erhalten
Kinder voraussichtlich erst mit dem 2. Lebensjahr einen Krippenplatz.
Dies bedeutet schlichtweg, dass ein Elternteil bis zu zwei Jahre zu Hause
bleiben muss. Bei alleinerziehenden Eltern sieht dies nicht anders aus. Die
finanziellen Auswirkungen für die Familien sind hierbei nicht zu
vernachlässigen.
Kindergartenkinder:
Auch für Kinder im Alter von 3-6 Jahren (Beendigung durch Eintritt Schule)
besteht nach § 24 SGB VIII Abs. 1 ein gesetzlicher Anspruch auf
Betreuung. Hierzu werden ebenfalls durch die Stadt, die freien und
kirchlichen Träger insgesamt 975 mögliche Plätze (bauseits) vorgehalten/
angeboten. Ferner werden durch Neu-/ Umbaumaßnahmen weitere Plätze
geschaffen. Diese verteilen sich auf die einzelnen Einrichtungen wie folgt:
Aus dem Bedarfsplan 2020 Stand 10_2020 der Stadt Mühlheim zeigt sich,
dass grundsätzlich für das kommende Jahr 2021 bauseits eine
Überdeckung des Auslastungsgrades erreicht wird. Berücksichtigt man
jedoch die personelle Ausstattung, ergibt sich für dieses Jahr eine nicht zu
unterschätzende Unterdeckung.
Quelle: Bedarfsplan 2020 Stand 10_2020 der Stadt Mühlheim am Main; S.
24 letzte Tabelle
Für die beiden darauffolgenden Jahre ergibt sich auch ohne
Berücksichtigung der personellen Ausstattung rein rechnerisch eine
Unterdeckung, vgl. oben genannte Tabelle.
Diese Unterdeckung erhöht sich noch bei Berücksichtigung der
personellen Ausstattung.
Die Stadt Mühlheim kommt in ihrer Bedarfsplanung 2020 zu dem Ergebnis,
dass selbst bei einem kontinuierlichen Ausbau des Platzangebotes, dies
zu keiner Verbesserung führt. Das Problem sei nach Ansicht der Stadt die
angespannte personelle Ausstattung.
In der Folge bedeutet dies, dass nicht jedem Kind, obwohl es einen
gesetzlichen Anspruch ab dem 3. Lebensjahr hat, ein Kindergartenplatz
zur Verfügung gestellt werden kann. Die gängige Praxis in Mühlheim sieht
vor, dass Kinder, die vor dem 31.08. geboren sind und einen Krippen-
/Tagesmutterbetreuungsplatz haben, automatisch nach den Sommerferien
in den Kindergarten wechseln. Bei diesen Kinder kann der
Rechtsanspruch gewahrt werden. Hingegen werden Kinder, die ihr 3.
Lebensjahr erst nach dem 31.08. erreichen, voraussichtlich erst nach den
Sommerferien des darauffolgenden Jahres, also sprich mit 4 Jahren, in
den Kindergarten wechseln. Damit diese Eltern nicht schlechter gestellt
werden, als Eltern mit vor dem Stichtag 31.08. geborenen Kindern,
müssen diese nur den Betreuungsbetrag wie für ein Kindergartenkind
bezahlen, obwohl es sich weiterhin in einer Krippe befindet. Dies bedeutet
jedoch, dass diese eigentlichen Kindergartenkinder Plätze für jüngere
Kinder belegen. Erschwert wird diese Situation durch die Anforderungen
an die Erzieher, die sowohl ganz junge Kinder als auch Kindergartenkinder
betreuen und fördern müssen. Auch für die älteren Kinder ist es sehr
ungünstig mit wesentlich jüngeren Kindern in einer Gruppe zu sein.
Fazit:
Die Betreuungssituation in Mühlheim ist sehr angespannt und für Familien
sehr unbefriedigend. Auch wenn die Stadt Mühlheim durch die geplanten
Neubaumaßnahmen versucht diesen Betreuungsdruck entgegen zu
wirken, wird dem Ganzen jedoch nicht vollends Rechnung getragen.
Unserer Ansicht nach bleibt bei den geplanten bauseitigen Maßnahmen
der Stadt unberücksichtigt, dass 2021 diverse Neubauprojekte mit
mehreren Wohneinheiten fertiggestellt werden. Zu erwähnen sei hier das
ehemalige Bendergelände an der S-Bahn Haltestelle Dietesheim oder der
Gebäudekomplex in Lämmerspiel an der Kolpingstraße. Der geplante
Neubaukomplex auf dem Waitz Gelände darf ebenfalls nicht
unberücksichtigt bleiben, auch wenn dieser vermutlich erst 2022
fertiggestellt werden wird. Mit der Fertigstellung dieser Komplexe kommt
es zu einem Zuzug von Familien, die den Druck auf das
Betreuungsangebot erhöhen.
Der Bedarf für Betreuung von Ü3 Kinder steigt demnach und wurde in der
o.g. Tabelle nicht hinreichend berücksichtigt. Der Aussage des Ersten
Stadtrates Dr. Alexander Krey, dass im Jahr 2021 somit ein rechnerischer
Überhang von Ü3 Betreuungsplätzen von 61 Plätzen vorliegt, vgl. OP-
Online Artikel vom 08.11.2020, deckt sich leider nicht mit der errechneten
Tabelle der Stadt Mühlheim. Vielmehr geht die o.g. Tabelle von einem
Überhang für das Jahr 2021 von lediglich 24 Plätzen aus, ohne
Berücksichtigung der fehlenden Erzieher. Unter Berücksichtigung der
fehlenden oder offenen Stellen ist vielmehr von einem Mangel von 117
Plätzen auszugehen, obwohl hier der Zuzug durch Fertigstellung der
Wohnkomplexe unberücksichtigt bleibt, auch wenn Herr Dr. Alexander
Krey dies grundsätzlich verneint, ohne hierzu hinreichende Fakten zu
nennen.
Daher gehen die durch die Stadt Mühlheim geplanten bauseits getroffenen
Maßnahmen zur Erhöhung des Kinderbetreuungsangebots nicht weit
genug.
Ebenfalls wird vernachlässigt, dass in den Jahren 2020 bis 2022 die
geburtenstarken Jahrgänge (die Babyboomer) in Rente gehen. Dies hat
zur Folge, dass die errechnete Unterdeckung aufgrund Abgangs von
Erziehern vermutlich noch viel höher ausfallen wird, als von der Stadt
Mühlheim prognostiziert.
Daher muss neben den bauseits getroffenen Maßnahmen auch eine
Offensive zur Nachwuchsgewinnung von Erziehern erfolgen, da
anderenfalls die Besetzung der neugeschaffenen Kita- und
Kindergartenplätze unmöglich ist.
Ferner sollte überlegt werden, ob eine Bedarfsberechnung anhand der
damals gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen vor 2013
getroffenen vereinbarten Betreuungsangebot in Höhe von 35% der
berücksichtigungsfähigen Kindern noch zeitgemäß erscheint. Bei
zugrundelegen dieses Prozentsatzes wird davon ausgegangen, dass nur
für jedes dritte Kind eine U3 Betreuung gewünscht ist. Andere Gemeinden
gehen vielmehr von einem Prozentsatz von 50% aus, vgl. Bedarfsplan der
Stadt Rodgau 2020_21 Seite 5.
Aus den oben genanten Gründen kann daher der Aussage des Ersten
Stadtrates Dr. Alexander Krey, dass in Mühlheim ab dem Sommer 2021
allen Kindern im Ü3-Bereich ein Platz angeboten werden kann, nicht
gefolgt werden.
Es muss dringend gehandelt werden.
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